Mittwoch, 3. September 2008

Alice in wonderland - Kapitel 2

Meeting the Cheshire Cat

Der hell erleuchtete Gang, in dem sich Alice befand, endete auf eine seltsame Weise. Die letzten Meter bestanden nämlich aus Puzzleteilchen, die dann ganz einfach fehlten, als hätte man den Gang nicht zu Ende gebaut. Alice starrte in die Dunkelheit hinein und beschloss, diesen Weg nicht zu nehmen, weil sie womöglich einfach ins Nichts fallen und auf so eine langweilige Weise wollte sie ihr Leben ja nun auch nicht verlieren. Stattdessen versuchte sie es bei der Tür auf der linken Seite, was sich allerdings auch als keine besonders gute Alternative erwies, denn hinter der Tür gab es nur ein riesiges Meer.
"Wie praktisch. Eine Riesenbadewanne.", grinste das Mädchen und sah sich gezwungen, die andere Tür zu nehmen. Durch diese gelangte sie in einen achteckigen Raum mit sehr hoher Decke, von der ein altmodischer Kronleuchter baumelte und so aussah, als würde er jeden Moment der darunter sitzenden Person auf den Kopf krachen. Diese hatte es sich auf einer Art Thron gemütlich gemacht und hörte mit wichtigtuerischer Miene dem aufgeregt durcheinander grunzenden Schwein im Frack zu. Es war ein kleinwüchsiger alter Mann mit langem Bart, spärlichem Haar und einem runden Bäuchlein. Das wild gestikulierende Schwein erblickte Alice und sprang sofort auf.
"DA! Das ist die Verrückte!", quiekte es und zeigte mit der Hufe in die Richtung der Braunhaarigen.
"Ich wär da mal ganz vorsichtig mit den Anschuldigungen, mein rosa Freund.", gab sie kühl zurück und verschränkte die Arme.
"Sehet, Herzog, der irre Blick... Sie ist gemeingefährlich!" Das Schwein bildete sich ein, es würde flüstern, aber in Wahrheit hörte man alles laut und deutlich - mit einigen herzhaften Grunzern gewürzt, versteht sich. Während sich das Mädchen umsah, hörte sie dann plötzlich eine kindliche Stimme aus der Richtung des Herzogs.
"Aber sie ist doch nur ein Mädchen." Schlagartig wandte sie sich der Stimme zu und auf der Stelle des Herzogs saß tatsächlich... ein kleiner Junge, nicht älter als fünf. Er trug zwar dieselbe Kleidung, sah ihm aber sonst nicht ähnlich.
"W-wie...?", stammelte sie verdutzt.
"Was guckst Du denn wieder so dümmlich?", warf das Schwein entsetzt ein. "Noch nie einen Herzog gesehen?"
"Jetzt schlägt‘s gleich dreizehn." Alice fuchtelte mit dem scharfen Messer vor seinem Rüssel herum und das nun mehr blasse Schwein gab Ruhe. Als sie sich dem Herzog zuwandte, war dieser schon im Alter eines erwachsenen Mannes - allerdings in der gleichen Größe.
"Lass bitte meinen Untergeben in Frieden - er ist doch sehr aufbrausend, aber das haben Schweine nun mal so an sich.", meinte er seelenruhig zu Alice und dann zu dem Anderen: " Geh doch bitte die Reiskörner in der Speisekammer nachzählen. Die Mäuse dieses Jahr stehlen schon wieder ..." Das Schwein gehorchte sofort und verschwand sogleich. //Reiskörnerzählen muss schon eine unglaublich spannende Aufgabe sein.//, dachte sich das Mädchen und fragte sich, wie viel man trinken musste, um auf so eine idiotische Idee zu kommen. Der Herr vor Alice war bereits zu einem Greis gealtert und versuchte mit seiner zittrigen Hand Alices Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
"Was machst Du hier überhaupt?", fragte er mit Mühe.
"Im Grunde... nichts. Habe mich nur verlaufen. Wo geht es denn hier raus?", antwortete sie und beobachtete mit gerunzelter Stirn wie der alte Mann sich wieder zu einem kleinen Jungen veränderte.
"Dann musst Du daaalang gehen.", meinte der Knabe und deutete mit seinem pummeligen Finger in die Richtung einer dunkelblau gestrichenen Tür.
"Ehm... danke. Schönen Tag dann noch." Kopfschüttelnd entfernte sich Alice von dieser höchst kuriosen Gestalt und trat durch die besagte Tür nach draußen.
Genüsslich atmete sie die frische Luft ein und sah sich um: sie stand auf einem kleinen Pfad, der in einen Wald zu führen schien. Da sie keine Wahl hatte, spazierte sie den Weg entlang und kam nach einiger Zeit an einem dubiosen Schild an: - Betreten des Waldes für Herzkarten verboten -
"Nun, ich bin ja alles andere als eine Herzkarte, also betrifft mich das ja nicht!", stellte Alice fest und wollte schon weitergehen, als von hinten ein verdächtiges Schnurren kam:
"Hmmmmmmmmmm... woher... willst du wissen, ob du nicht doch eine Herzkarte bist? Meow." Allein ein riesiges Grinsen mit scharfen Zähnen hing in der Luft, aber das war schon verräterisch genug.
"Chershire Cat... Na, was willst du?" Sie hatte sie auf einem Absatz umgedreht und erwartete die Reaktion des zu neunzig Prozent unsichtbaren Katers. Immerhin war jetzt alles anders und sie konnte nicht wissen, ob sich dieses Grinsen nicht in jedem Moment in ihren Hals graben würde. Plötzlich tauchten auch zwei leuchtende giftgrüne Augen aus dem Nichts auf und fixierten das Mädchen.
"Was macht dich so sicher, dass duuu keine Herzkarte bist?", fragte das frei herumhängende Raubtiergebiss noch einmal und miaute erneut.
"Jetzt wo deine Augen ja ebenfalls vor Ort sind, schau mich doch an. Sehe ich etwa so aus?!", fragte Alice genervt zurück.
"Guuuuuuuut, aber das ist ja eigentlich der Sinn der Sache!... Du denkst, du bist keine und begibst dich in den Waaaald, wo die Gefahr auf dich lauert!... Es ist nämlich so, dass dieses Schild eine Falle ist...", schnurrte Cheshire Cat selbstzufrieden, weil er sich im Vorteil gegenüber der unwissenden Alice sah.
"Und wie genau ist die Falle denn konstruiert?"
"Mhhhmhhahahah... Karten haben sowieso kein Herz - deshalb sind sie total unnütz für den Wald. Andere aber, die denken, sie dürfen den Wald betreten, haben eines. DAS ist genau das, was der Wald,.. oder besser gesagt seine Herrin, will. Herzen. Sie sammelt sie...", erklärte der Kater, dessen Knochen sich gerade sichtbar machten.
"Wer tut denn so was Irres?" Alice zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe.
"Ist doch egal mwhahah...", grinste das Tier, dessen Skelett in diesem Moment von Muskeln überspannt wurde. Nachdem auch sein dunkelgraues Fell erschienen war, saß ein knapp vier Fuß großer Kater mit einer Eisenkette um den Hals sowie Piercing im Ohr vor Alice und grinste so breit es nur ging. Weil auch seine Krallen nicht besonders stumpf waren, sah sich Alice langsam als potentielles Abendessen. Trotzdem blieb sie gelassen und meinte schließlich:
"Wer auch immer das tut, mir kann es egal sein, denn ich besitze kein Herz."
"Wieeee?... Bist du verrückt? Haaah, du bist verrückt! Und ich auch!" Cheshire Cat rollte mit den großen Augen und Alice dachte, dass sie ihr Kiefer wohl nicht mehr bewegen könnte, wenn sie am Stück grinsen würde wie er.
"Denk doch was du willst. Ich gehe dahin. Immerhin suche ich dieses brutale Plüschtier." Sie zuckte mit den Achseln und wandte sich dem Wald zu.
"Aaaach jaaa... dann musst du ganz sicher durch den Wald, wenn du das Kaninchen suchst."
"Wie? Du weißt, wo es ist?!" Schnell drehte sie sich wieder zu dem Kater um, doch der war leider schon verschwunden.
"Klasse. Dieses Vieh verschwindet immer dann, wenn man es braucht.", knurrte sie verärgert und folgte dem Waldpfad.
Der Wald schien im Grunde ganz normal zu sein, abgesehen von den brennenden Schmetterlingen, die umherschwirrten. Nur nach einer Weile merkte Alice, dass die Pflanzen und Bäume immer größer wurden, je weiter sie kam. Es konnte nur noch wenig Licht bis zum Boden durchdringen und kleine Pflanzen, wie der dürre Strauch unter einem der Bäume, hatte so gut wie keine Chance. Auf einmal fühlte sich das Mädchen mit ihm sehr verbunden. Sie wusste, wie es war, dahin zu vegitieren. Die anderen bekamen stets Licht, Wärme... letztendlich Glück, Freude des alltäglichen Lebens - Sonnenschein, während der Strauch unten im Schatten sich nach den so kostbaren Sonnenstrahlen streckte und sie nicht erreichen konnte. Für die anderen war alles selbstverständlich, für ihn wie eine Fata Morgana... genau wie für Alice. Welche Funktion hatte dieser Strauch im Leben? Welche hatte sie?.. Keine... ? Tag für Tag durchlebte sie unangenehme Situationen, Leid, Kummer... nur um weitere gleichartige Tage zu erleben? Und nie die Sonnenstrahlen im Herzen zu spüren?
//Ich muss wirklich irre sein, wenn ich mich mit einem Strauch vergleiche.//, dachte sie, um sich aus diesem plötzlichen Down herauszuholen und sich abzulenken. Bald kam sie in einen Waldbereich, wo die Pflanzen und Bäume wieder die normale Größe hatten und war erleichtert, weil sie nicht mehr über die riesigen Wurzeln klettern musste. Hinter den nächsten Büschen blieb sie allerdings stehen und riss die Augen auf. Vor ihr stand eine große knorrige Eiche und an einem der mächtigen Äste war eine Gestalt gehängt worden. Der Mann war kreidebleich im Gesicht und sowohl seine Augenlider, als auch der Mund waren schwarz geschminkt. Das Interessante war nicht, dass er so seltsam aussah, sondern dass er mit dem Kopf nach unten hing, weil er an den Füßen aufgehängt worden war. Der Wind spielte mit seinem offenen längeren schwarzen Haar und der Strick um seinen Hals bestätigte, dass er tot sein musste. Das war ein Grund, warum Alice sich ihm nähern musste. Seine Kleidung bestand lediglich aus weißem Hemd mit Rüschenkragen und weißen Stoffhosen.
//Er schämt sich bestimmt dafür, dass er in solch grässlichen Klamotten sterben musste.//, schoss ihr durch den Kopf. //Was er wohl angestellt hat?... Oh, da ist etwas...// Tatsächlich hing an dem Strick um seinen Hals ein kleines Schildchen und Alice hoffte, dass da nicht 'Iss mich.' draufstand. 'The Hangman' hieß es darauf.
"Also, um DArauf zu kommen, muss man schon richtig intelligent sein.", platzte es aus ihr raus. Welche Idioten dachten sich denn hier die Texte auf den Schildern aus? Sie hätte sich am liebsten noch länger darüber aufgeregt, aber da schlug die Leiche auf einmal die eisblauen Augen auf und flüsterte:
"Guten Tag, Fräulein."

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